Autor: Jean-Francois Lyotard
CHF 79.75
ISBN: 978-3-7705-2599-7
Einband: Fester Einband
Verfügbarkeit: Libri-Titel folgt in ca. 2 Arbeitstagen
+ -

Noch im Jahre 1985 wurde in Frankreich an der Universität Nantes eine Dissertation (eines Autors namens A. Rocques) angenommen, die die Existenz und die Rolle der Gaskammern des Dritten Reiches zu minimalisieren und letztlich gar zu leugnen suchte (Le Monde, 3. Juni 1986), und auch im Deutschland der Nachkriegszeit hat es nicht an höhnischen Attacken auf die "Auschwitz-Lüge" gefehlt, allen Versuchen zum Trotz, sie zu unterbinden und Vergangenheit auf legislativem Wege zu bewältigen.

Von eben diesem Dilemma aber geht Jean-François Lyotard aus, indem er an eine ältere Polemik von R. Faurisson anknüpft: "Ich habe Tausende von Dokumenten untersucht. [...] Ich habe - allerdings vergeblich - einen einzigen ehemaligen Deportierten gesucht, der mir beweisen konnte, tatsächlich und mit eigenen Augen eine Gaskammer gesehen zu haben." "Tatsächlich und mit eigenen Augen": Nur ein Opfer der Gaskammern könnte die Existenz von Gaskammern bezeugen - es gibt also keine Gaskammern. Und dieses Dilemma führt ins Zentrum von Lyotards philosophischem Hauptwerk: Der Streit, von dem es spricht, ist ein "Widerstreit" zwischen ungleichförmigen Diskursarten, zwischen Sätzen, die verschiedenen, heterogenen Regelsystemen angehören - Argumentieren, Erkennen, Beschreiben, Erzählen, Fragen, Befehlen usw.

"Der Begriff des Streits bezeichnet eine ontologische Situation des richterlichen Urteilens. Richterlich, insofern der Richter angesichts der von jeder Partei vorgebrachten Beweisführung nicht entscheiden kann, denn er verfügt über keine Regel, die auf beide Fälle anwendbar wäre. [...] Er verhält sich so, als gebe es zwei Rechte und kein Meta-Recht" (Change International, 2/1984). Was sich hier abzeichnet, ist eine Philosophie der Diaspora, der Heterogenität von Diskursarten, die nicht ineinander übersetzbar sind. Ihr Kontext: "Die Sprachwende der abendländischen Philosophie (die letzten Werke Heideggers, das Eindringen anglo-amerikanischer Strömungen ins europäische Denken, die Entwicklung von Sprachtechnologien); im Verein damit der Niedergang der universalistischen Diskurse (der metaphysischen Doktrinen der Moderne: der Erzählungen [récits] vom Fortschritt, vom Sozialismus, vom Überfluß, vom Wissen). Die Theorie-Müdigkeit und die elende Erschlaffung, die sie begleitet (Neo-dies, Neo-das, Post-dieses, Post-jenes). Die Stunde des Philosophierens."


Noch im Jahre 1985 wurde in Frankreich an der Universität Nantes eine Dissertation (eines Autors namens A. Rocques) angenommen, die die Existenz und die Rolle der Gaskammern des Dritten Reiches zu minimalisieren und letztlich gar zu leugnen suchte (Le Monde, 3. Juni 1986), und auch im Deutschland der Nachkriegszeit hat es nicht an höhnischen Attacken auf die "Auschwitz-Lüge" gefehlt, allen Versuchen zum Trotz, sie zu unterbinden und Vergangenheit auf legislativem Wege zu bewältigen.

Von eben diesem Dilemma aber geht Jean-François Lyotard aus, indem er an eine ältere Polemik von R. Faurisson anknüpft: "Ich habe Tausende von Dokumenten untersucht. [...] Ich habe - allerdings vergeblich - einen einzigen ehemaligen Deportierten gesucht, der mir beweisen konnte, tatsächlich und mit eigenen Augen eine Gaskammer gesehen zu haben." "Tatsächlich und mit eigenen Augen": Nur ein Opfer der Gaskammern könnte die Existenz von Gaskammern bezeugen - es gibt also keine Gaskammern. Und dieses Dilemma führt ins Zentrum von Lyotards philosophischem Hauptwerk: Der Streit, von dem es spricht, ist ein "Widerstreit" zwischen ungleichförmigen Diskursarten, zwischen Sätzen, die verschiedenen, heterogenen Regelsystemen angehören - Argumentieren, Erkennen, Beschreiben, Erzählen, Fragen, Befehlen usw.

"Der Begriff des Streits bezeichnet eine ontologische Situation des richterlichen Urteilens. Richterlich, insofern der Richter angesichts der von jeder Partei vorgebrachten Beweisführung nicht entscheiden kann, denn er verfügt über keine Regel, die auf beide Fälle anwendbar wäre. [...] Er verhält sich so, als gebe es zwei Rechte und kein Meta-Recht" (Change International, 2/1984). Was sich hier abzeichnet, ist eine Philosophie der Diaspora, der Heterogenität von Diskursarten, die nicht ineinander übersetzbar sind. Ihr Kontext: "Die Sprachwende der abendländischen Philosophie (die letzten Werke Heideggers, das Eindringen anglo-amerikanischer Strömungen ins europäische Denken, die Entwicklung von Sprachtechnologien); im Verein damit der Niedergang der universalistischen Diskurse (der metaphysischen Doktrinen der Moderne: der Erzählungen [récits] vom Fortschritt, vom Sozialismus, vom Überfluß, vom Wissen). Die Theorie-Müdigkeit und die elende Erschlaffung, die sie begleitet (Neo-dies, Neo-das, Post-dieses, Post-jenes). Die Stunde des Philosophierens."


Autor Jean-Francois Lyotard
Verlag Brill I Fink
Einband Fester Einband
Erscheinungsjahr 1989
Seitenangabe 333 S.
Ausgabekennzeichen Deutsch
Masse H21.5 cm x B13.5 cm x D2.4 cm 456 g
Auflage 89002 A. 2., korr. A
Reihe Supplemente

Weitere Titel von Jean-Francois Lyotard